Am von Sven Zuschlag in Industrie 4.0

Digitalisierung im EU-Vergleich - Dänemark top, Deutschland flop?

Auf dem Foto ist die EU-Flagge vor dem blauen Himmel zu sehen.

Deutschland schöpft laut einer Studie des McKinsey Global Institutes zur Zeit nur zehn Prozent seines digitalen Potenzials aus – und liegt damit deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Diese Zahl wirft die Frage auf, was unsere Nachbarländer mit Blick auf die Digitalisierung besser machen. Aufschluss darüber gibt der Bericht über den Stand der Digitalisierung in Europa (Europe’s Digital Progress Report, EDPR). Das Ergebnis: Deutschland liegt auf Platz 11 im EU-Vergleich, weit abgeschlagen von den skandinavischen Staaten und den BeNeLux-Ländern. Spitzenreiter ist das kleine Dänemark, das sich inzwischen als digitaler Pionier Europas sieht.

Europe’s Digital Progress Report (EDPR)

Mit dem Bericht über den Stand der Digitalisierung in Europa untersucht die Kommission, welche Fortschritte die Mitgliedstaaten in puncto Digitalisierung machen. Dazu ermittelt sie mit Hilfe quantitativer Erhebungen den Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (Digital Economy and Society Index, DESI) und verknüpft diesen mit den neuesten Initiativen der nationalen Regierungen. Fünf Schwerpunkte setzt die Kommission in ihrem Bericht:

  1. Die Konnektivität: Darunter fallen Festnetz- und Mobilfunkbreitband, die Breitbandgeschwindigkeit und -preise
  2. Humankapital: Der Anteil der Internetnutzer und die digitale Kompetenz der Gesamtbevölkerung werden bestimmt
  3. Internetnutzung durch die Bevölkerung: Wie hoch ist der Anteil der Menschen, die Online-Portale, soziale Netzwerke und Online-Banking nutzen?
  4. Integration der Digitaltechnik: Digitalisierungsgrad der Wirtschaft und Anteil der Unternehmen, die im E-Commerce tätig sind
  5. Digitale öffentliche Dienste: Bietet der Staat eGovernment (elektronische Behördendienste) an?

Deutschland nur im digitalen Mittelfeld

Der Bericht zeigt einen klaren Trend: Die kleinen europäischen Staaten im Norden und Westen sind Pioniere der Digitalisierung. Auf den ersten drei Plätzen führen Dänemark, Finnland und Schweden das Ranking an, dicht gefolgt von den Niederlanden, Belgien und Luxemburg. Deutschland bescheinigt die Kommission nur geringe Fortschritte und verweist das Land auf einen mittleren 11. Platz.

Ein Blick auf die einzelnen Kategorien verdeutlicht, wo die Schwachstellen Deutschlands im europäischen Vergleich liegen: Zwar verfügen die Deutschen über eine vergleichsweise hohe digitale Kompetenz (7. Platz) und sind beim Online-Shopping besonders aktiv. Auch der Digitalisierungsgrad großer und sehr kleiner Unternehmen ist hoch. Jedoch fallen die mittelgroßen Unternehmen, die einen Großteil der deutschen Wirtschaft ausmachen, bei der Digitalisierung zurück. Ein besonderer Kritikpunkt der Kommission ist auch, dass Deutschland bei der Online-Interaktion zwischen Behörden und Bürgern auf den letzten Plätzen landet. Nur 19 Prozent der Bevölkerung nutzen demnach digitale Behördendienste.

Die Ergebnisse im Detail:

  • Deutschland ist bei der Konnektivität insgesamt recht gut aufgestellt und macht in vielen Bereichen Fortschritte. Jedoch ist die digitale Kluft zwischen Stadt und Land groß.
  • Weite Teile der deutschen Bevölkerung nutzen das Internet regelmäßig und besitzen hohe digitale Kompetenzen. Allerdings fehlen in vielen Schulen Breitbandanschlüsse. Problematisch könnte sich in Zukunft der Mangel an IT-Experten entwickeln, da nur 3,7 Prozent der Beschäftigten IKT-Fachkräfte sind.
  • Die Nutzung von Internetdiensten hat sich im vergangenen Jahr kaum gesteigert, so dass Deutschland hier vom 15. auf den 18. Platz zurückfällt.
  • Die Integration digitaler Technik durch die Wirtschaft hat sich nur geringfügig entwickelt.  Während Groß- und Kleinstunternehmen die Anpassung an das digitale Zeitalter gut gelingt, tun sich Firmen mit zehn bis 249 Mitarbeitern häufig schwer und verfügen über keine Digitalisierungsstrategien.
  • Im Bereich eGovernment schneidet Deutschland besonders schwach ab und erreicht nur einen schwachen 20. Platz. Aufgrund der föderalen Strukturen gibt es keinen flächendeckenden digitalen Dienst der Verwaltung.

Dänemark – Digitaler Pionier?

Dänemark setzt sich im EU-Ranking klar durch und überzeugt mit Fortschritten in fast allen Bereichen. 94 Prozent der dänischen Bürger sind online aktiv und verfügen mindestens über grundlegende Digitalkenntnisse. Zwar wird Dänemark in Zukunft ebenfalls den Fachkräftemangel im IT-Sektor zu spüren bekommen, jedoch zeigen die Unternehmen bereits ein hohes Maß an Digitalisierung. Auch von der Regierungsseite wird die Digitalisierung Dänemarks vorangetrieben: Mit ihrer Digital Strategy 2016-2024 möchte die Regierung weiterhin ein hohes Maß an staatlichen digitalen Angeboten für Unternehmen garantieren. Dabei liegt Dänemark in puncto eGovernment bereits jetzt sehr weit vorne und bietet sowohl Bürgern als auch Unternehmen zentrale digitale Portale an.

Die Ergebnisse im Detail:

  • Dänemark ist führend im Bereich Konnektivität. Wie auch in anderen Staaten gibt es allerdings auch in Dänemark Schwierigkeiten mit der Netzabdeckung in ländlichen Gegenden.
  • 94 Prozent der Dänen sind online. Obwohl 3,9 Prozent der Arbeitskräfte IKT-Spezialisten sind, werden im Jahr 2030 laut Prognosen 19.000 IT-Spezialisten in dänischen Unternehmen fehlen.
  • Die Dänen sind online sehr aktiv. Die große Mehrheit nutzt Streamingdienste, Video-Anrufe, Online-Banking und Online-Shopping.
  • Auch die Unternehmen haben sich ans digitale Zeitalter angepasst. 27 Prozent der Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU) verkaufen online. 45 Prozent der dänischen Unternehmen, und damit doppelt so viele wie im EU-Durchschnitt, sind digitalisiert. Allerdings sind auch die dänischen KMU bei der Digitalisierung eher zurückhaltend.  
  • Dänemark investiert kräftig, um staatliche Services für Bürger und Unternehmen in digitale Kanäle umzuleiten. Die neue eGovernment-Strategie der Regierung soll Dänemark zu einem Weltmarktführer bei digitalen Bürgerservices machen.

Ein Musterprojekt der dänischen Regierung ist das „Virk Portal“, in dem Unternehmen digital mit dem Staat Kontakt aufnehmen können. Neben dem Geschäftsregister sind hier auch Informationen für Start-ups und ein Hilfsbereich für Nutzer verfügbar. Besonders unkompliziert ist es für junge Unternehmen, eine sogenannte CVR-Nummer (Nummer im Zentralen Unternehmensregister) online zu beantragen: Mehr als 90 Prozent der Unternehmenstypen erhalten diese unverzüglich. Kein Wunder also, dass laut Umfragen 96 Prozent der dänischen Unternehmen das „Virk Portal“ kennen.

Digitaler Missionar

Angesichts dieser guten Ergebnisse sieht sich Dänemark inzwischen selbstbewusst in der Rolle eines digitalen europäischen Pioniers. Die Regierung sorgte vor Kurzem auch für Aufsehen, als sie den früheren Diplomaten Casper Klynge zum ersten offiziellen Tech-Botschafter der Welt im Silicon Valley berufen hat. Begründung: Unternehmen wie Apple, Facebook und Google seien heute mächtiger als viele Nationalstaaten. Gerade weil Dänemark im internationalen Wettbewerb nur eine marginale Rolle spielt, arbeiten Wirtschaft und Politik gemeinsam an innovativen Lösungen. So wurden zum Beispiel die bürokratischen Hürden für eine Firmengründung gesenkt. Der dänische Außenminister Anders Samuelsen sagt laut der Süddeutschen Zeitung dazu, dass Innovation unverzichtbar sei, wenn man hohe Löhne zahlen müsse: „ Uns geht es immer noch gut.“

Sven Zuschlag

CEO/Vorstand

Sven Zuschlag

Digitaler Vordenker und Vorstand der smapOne AG. Verantwortlich für Unternehmensstrategie, Märkte und Mitarbeiter. Macher und Brückenbauer innerhalb der digitalen Welt. Bis 2014 leitete er den Solution-Partner-Channel bei Microsoft. Als studierter Diplom-Betriebswirt mit über 21 Jahren Berufserfahrung in verschiedenen Unternehmen und Rollen kennt er die Trends und die Anforderungen von Unternehmen an moderne IT genau.

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