Am von Sven Zuschlag in IT & Innovationsmanagement

5 Digitalisierungs-Mythen – oder warum digitaler Wandel gar nicht radikal sein muss

5 Digitalisierungs-Mythen und wie Sie Erfolg haben

Vier von fünf Digitalprojekten im Mittelstand scheitern - so titelte das Handelsblatt vor ein paar Monaten. Eine Ursache sind unsere Gewissheiten, wie erfolgreicher digitaler Wandel vermeintlich funktioniert. Fünf Mythen über digitale Disruption.

Mythos Nr. 1

Zuerst muss die alte IT raus

Falsch. Der Gedanke ist nachvollziehbar, aber wie bei den meisten Klischees über die Digitalisierung wird hier das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Die Abrissbirne wirkt eher destruktiv als disruptiv.

Zugegeben: In vielen Büros herrscht heute noch digitale Steinzeit. Es wird mit Windows 7, Uralt-Office und monolithischer Business-IT gearbeitet. In so einem Umfeld kann man natürlich lange auf digitale Innovationen von innen heraus warten. Zuhause nutzen die meisten Mitarbeiter dagegen seit Jahren schon WLAN, Smartphones, soziale Netzwerke, Cloud-Dienste und Design-Notebooks. Das macht verständlicherweise ungeduldig.

Aber der Hauruck-Umbau der kompletten Unternehmens-IT paralysiert die hauseigene EDV-Abteilung. Obendrein beansprucht sie das ganze IT-Budget. Für konkrete Digitalprojekte fehlen unter Umständen auf Jahre hinaus die Ressourcen. Am Ende stehen auf den Schreibtischen zwar schicke neue Rechner, und überall gibt’s WLAN. Aber sonst passiert nicht viel. Wie riskant solche IT-Großprojekte sind, zeigt die gescheiterte SAP-Einführung bei Lidl, die der Discounter nach sieben Jahren und 500 Millionen Euro schließlich erfolglos abbrach.

Alternative

Kleine Projekte mit mobilen Apps

Nutzen Sie vor allem am Anfang die Chancen kleiner und überschaubarer Digitalisierungsprojekte. Sie profitieren von schnelleren Ergebnissen, geringeren Kosten und konkretem Nutzen. Darauf lässt sich aufbauen. Und es macht Mut zu mehr. Anstatt also gleich unternehmensweit neue Geschäftsanwendungen einzuführen: Sammeln Sie zunächst Erfahrung, zum Beispiel mit mobilen Apps für konkrete Anwendungszwecke.

Viele unserer Kunden beginnen mit einem kleinen Projekt, haben Erfolg und gehen das nächste Vorhaben an. Das Transportunternehmen Obermann am Südostrand des Harz’ investierte gerade mal 30 Minuten in den Bau einer Test-App. Heute spart allein diese App 25 Stunden Arbeitszeit, und zwar jede Woche. Mit der Zeit entstanden nicht nur Apps, sondern ein neues Verständnis dafür, was digitale Technologie möglich macht.

Mythos Nr. 2

Wir brauchen ganz neue Geschäftsmodelle

Mit diesem Rat verdienen Unternehmensberater viel Geld. Richtig ist er trotzdem nicht. Nicht für alle! Es mag Geschäftsmodelle geben, die in der digitalen Wirtschaft keine Überlebenschance haben. Verlage für Konversationslexika zum Beispiel oder Hersteller analoger Kameras. Aber die Kunden der meisten Unternehmen erwarten kein völlig neues Wertversprechen. Sie verlangen wettbewerbsfähige Leistungen.

Alternative

Tu, was du kannst - aber besser!

Finden Sie heraus, wie Sie die Anforderungen Ihrer Kunden mit digitaler Technologie noch besser erfüllen!

Das südhessische Familienunternehme Ried-Blitzschutz beispielsweise schützt seine Kunden immer noch vor Blitzschlägen. Aber heute kommunizieren Monteure und Verwaltung wesentlich effizienter. Mit digitaler Technologie hob Ried die Qualität und reduzierte Kosten. Auch Kern Gebäudemanagement blieb seinem Geschäftsmodell treu. Nach einem ersten Pilotprojekt gewann der digitale Wandel beim Spezialisten für Gebäudereinigung und -pflege eine eigene Dynamik: weil sich neue Ideen mit dem richtigen Werkzeug schnell umsetzen und testen lassen.

Mythos Nr. 3

Digitalisierung geht vor allem top-down

Auch diesen Rat hören Sie von Unternehmensberatern. Selbstverständlich. Expertenwissen von außen muss im Unternehmen durchgesetzt werden, und das geht von oben nach unten. Dass Geschäftsführungen an den Top-Down-Ansatz glauben, ist gleichfalls verständlich. Schließlich erwarten Anteilseigner und Belegschaft von ihnen persönlich eine Antwort auf die Frage, womit das Unternehmen in Zukunft sein Geld verdient. Trotzdem bietet eine Top-Down-Strategie keine Abkürzung durch den digitalen Wandel. Warum?

Der digitale Wandel ist zu komplex, als dass Organisationen einseitig auf Vorgaben ihrer Führung und wenige Experten vertrauen können. Die Chancen digitaler Technologien erschließen sich erst allmählich und in der Praxis. Das ändern auch Zielbilder, Kennzahlen und Pläne nicht. Die Digitalisierung ist ein Lernprozess, den eine Organisation in der ganzen Breite durchlaufen muss.

Alternative

Alternative: Mehr Raum für Experimente und Do-it-yourself

Was ist die wirkungsvollste Art zu lernen? Ausprobieren. Am besten im Team. Daher meine Empfehlung: Schaffen Sie die Rahmenbedingungen, damit sich ihre Mitarbeiter und Teams digitale Technologien spielerisch aneignen können. Und: Spielen ist nicht nur etwas für Kinder. Im Silicon Valley sind ein paar Leute sehr reich damit geworden. Setzen Sie dem Spieltrieb überschaubare Grenzen für Budget und Zeiteinsatz. Aber vor allem: Stellen Sie die richtigen Werkzeuge zur Verfügung: Stichwort Low Code.

Auf der No-Code bzw. Low-Code-Entwicklungsplattform smapOne lassen sich digitale Lösungen ganz ohne Programmierkenntnisse entwickeln.

Die Marktforscher von Gartner sehen Low Code als Teil eines Megatrends: Schon 2024 sollen 65 % der Business-Software nicht mehr klassisch programmiert werden, sondern aus vorgefertigten Bausteinen zusammengesteckt. Digitale Prototypen lassen sich so schneller und zu einem Bruchteil der üblichen Kosten herstellen und frühzeitig in der Praxis testen.

So unverzichtbar Planung und Führung sind: Bewahren Sie sich bei allen digitalen Strategien einen gesunden Pragmatismus und geben Sie Ihren Pionieren den nötigen Raum für Innovation. So wie die Firma Bausch aus Ravensburg, die ihren Mitarbeitern erlaubt, Probleme im Arbeitsablauf selbst durch mobile Apps zu lösen. Wenn Mitarbeiter ein Gefühl für die Möglichkeiten digitaler Technologien bekommen, tun sich neue Perspektiven für das gesamte Unternehmen auf.

Mythos Nr. 4

Nur Digital Natives und IT-Experten verstehen was von Digitalisierung

Ganz falsch. Die Erfindungen des digitalen Zeitalters – das Internet, das iPhone, die Cloud, Google und Social Networks – sind allesamt Hochtechnologie. Darum sei Digitalisierung nur etwas für hochgebildete IT-Spezialisten und junge Leute, die damit aufgewachsen sind - so denken immer noch viele, besonders in Europa. Nicht so die Analysten von Gartner.

Die Marktforscher erwarten eine breite „Demokratisierung des IT-Know-hows“: Neue Werkzeuge wie Low-Code-Plattformen erlauben bereits heute Software-Entwicklung für IT-Laien. Künftig unterstützt künstliche Intelligenz Datenanalyse für jedermann. Und mit Expertensystemen werden Routine-Aufgaben bewältigt, die über ihr Fachwissen und ihre Erfahrung hinausgehen.

Alternative

Nutzen Sie den Einfallsreichtum von Citizen Developern

Wir selbst werden zu Digitalpionieren. Das ist auch nötig. 2018 blieben nach Daten des Branchenverbands Bitkom allein in Deutschland 82.000 Stellen für IT-Spezialisten unbesetzt. 49 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Gartner-Experten glauben dagegen, dass Unternehmen und Behörden von unerwarteter Seite Verstärkung erhalten: von ihren Mitarbeitern. Als Citizen Developer werden sie der Digitalisierung in Büros, Werkshallen und Amtsstuben einen entscheidenden Schub geben.

Warten Sie nicht auf das nächste Informatiktalent, sondern stärken Sie Erfindungsgeist und Selbstvertrauen Ihrer Mitarbeiter.

Der Stromnetzbetreiber Avacon hat das erkannt und befähigt seine Mitarbeiter, die digitale Prozessunterstützung selbst zu gestalten. Oder hhpberlin: Beim Brandschutz-Spezialist aus der Hauptstadt entwickeln die Mitarbeiter selbst digitale Lösungen fürs Smartphone und die nächste Version ihres Geschäftsmodells.

Mythos Nr. 5

40, 50 oder 60 % der Menschen werden ihren Job verlieren durch die Digitalisierung

Das wissen wir schlicht nicht - wie so vieles andere auch. Zum Beispiel welches digitale Potenzial tatsächlich in der eigenen Firma steckt. Das erfahren wir erst, wenn wir es ausprobieren und auf uns selbst vertrauen.

Die Firma Kodak hielt die einmalige Chance in der Hand: 1975 erfand der junge Kodak-Ingenieur Steve Sasson den Prototypen der weltweit ersten Digitalkamera. Sein Arbeitgeber, Weltmarktführer für Analogfilme, hielt nicht viel von der Erfindung. Zwar kassierte Kodak später Milliarden an Patentgebühren für diese Technologie, verpasste selbst aber den Einstieg in den Markt für Digitalfotografie. 37 Jahre später meldete Kodak Insolvenz an. War dieses Ergebnis etwa unausweichlich? Wohl eher hausgemacht.

Alternativszenario

75 % der Low-Code-Entwicklung werden Mini-Projekte sein, in jedem Team dabei: ganz normale Mitarbeiter

Schütten Sie nicht das Kind mit dem Bad aus. Modernisieren Sie ruhig Ihre IT, aber lassen sie sich deshalb nicht von konkreten Digitalprojekten abhalten. Entwickeln Sie am grünen Tisch neue Geschäftsmodelle, aber fragen Sie sich auch, was Ihre Kunden heute wollen. Werben Sie um junge Informatik-Talente und gestandene IT-Profis und setzen Sie sie dazu ein, Ihre Mitarbeiter zu coachen und bei eigenen Experimenten und Projekten zu unterstützen.

Wenn wir Gartner beim Wort nehmen, werden Sie die Lösung nicht am fernen Horizont entdecken, sondern direkt vor Ihnen (Liste der beliebtesten Business-Apps). Nach Ansicht der Marktforscher werden bis 2024 Mini-Projekte die Grundwelle der digitalen Transformationen tragen. Drei Viertel aller Low-Code-Entwicklungen werden konkrete Probleme auf Team- und Abteilungsebene lösen und Detailprozesse verbessern. Digitalisierung ist nicht nur die Suche nach dem nächsten Multimilliarden-Einhorn. Es sind die Hunderttausenden Kleinstabläufe, die wir mit digitalen Technologien optimieren. Und wer kennt sich mit solchen Details besser aus als Sie und Ihre Mitarbeiter?

Lesetipp: Low Code treibt den digitalen Fortschritt in Unternehmen voran [Gartner Studie]

Sven Zuschlag

CEO/Vorstand

Sven Zuschlag

Digitaler Vordenker und Vorstand der smapOne AG. Verantwortlich für Unternehmensstrategie, Märkte und Mitarbeiter. Macher und Brückenbauer innerhalb der digitalen Welt. Bis 2014 leitete er den Solution-Partner-Channel bei Microsoft. Als studierter Diplom-Betriebswirt mit über 21 Jahren Berufserfahrung in verschiedenen Unternehmen und Rollen kennt er die Trends und die Anforderungen von Unternehmen an moderne IT genau.

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